Karl Kraus: Wiener Stätten |
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I. Kindheit und Jugend
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Karl Kraus kam 1877 im Alter von drei Jahren nach Wien. Geboren war er am 28. April 1874 im böhmischen Jicin (Gitschin), wo sein Vater eine Papier- und Ultramarinfabrik besaß, die auch die wirtschaftlichen Krisenzeiten des 1. Weltkriegs und der Nachkriegszeit unbeschadet überstand. Nach dem Tod des Vaters führte Karls Bruder Richard die Firma, die Karl Kraus lebenslang eine monatliche Familienrente sicherte. Karl Kraus gehörte damit zu der Schicht des zwar wohlhabenden, liberalen Großbürgertums, dem effektive politische Partizipation und gesellschaftliche Gleichrangigkeit mit dem Adel aber gleichwohl verwehrt war. Carl E. Schorske hat auf den Zusammenhang zwischen dieser Minderprivilegierung und der Begeisterung für Literatur, Theater und Bildender Kunst hingewiesen, die für das Bürgertum im Wien des Fin de Siècle kennzeichnend war. In den 1890er Jahren "waren die Helden des gehobenen Mittelstandes schon keine Politiker mehr, sondern Schauspieler, Künstler und Kritiker. Die Zahl der berufsmäßigen Literaten und Gelegenheitsschreiber stieg gewaltig an." (Schorske, 8). Auch Karl Kraus hatte teil an der "Theatromanie" (Stefan Zweig). Der Besuch des (alten) Burgtheaters und die Begeisterung für dessen Schauspieler waren mehr als nur Freizeitbeschäftigung. Kraus selbst verfaßte 1891, er war 17 Jahre alt, ein "humoristisches Imitationsintermezzo" mit dem Titel "In der Burgtheaterkanzlei", bei dessen Aufführung im Rahmen einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Baden bei Wien er selbst mitgespielt und Regie geführt hat (Schick, 23). Eine zweite Theateraufführung 1893, bei der er die Rolle des Franz Moor in Schillers "Die Räuber" übernahm, geriet zum Mißerfolg und dürfte entscheidend dazu beigetragen haben, den ursprünglichen Wunsch, Schauspieler zu werden, aufzugeben. Daneben hatte er mit einer Vorlesung mehr Erfolg, bei der er unter dem Titel "Aus dem Reiche der Kothpoeten oder Zwei Stunden Modern" unter anderem aus Gedichten der damals verschmähten Naturalisten Liliencron, Bierbaum und Arno Holz las. In welcher Richtung Kraus tätig werden wollte, scheint ihm zunächst unklar gewesen zu sein, nicht in Betracht kam jedenfalls, in die Firma des Vaters einzutreten. Nach der Matura 1892 begann Kraus für verschiedene österreichische und deutsche Zeitschriften zu schreiben, vor allem Theater- und literarische Kritiken und "Causerien". 1899 hatte sich Kraus in der literarischen Öffentlichkeit jedenfalls bereits einen Namen gemacht: Die "Neue Freie Presse" Moritz Benedicts, später eines der Hauptobjekte seiner Kritik, trug ihm an, die Nachfolge des Wiener Satirikers Daniel Spitzers anzunehmen, dessen berühmte "Wiener Spaziergänge" in dieser Zeitung erschienen waren (Schick, 32; Katalog Marbach 1999, 33 f.). Unterdessen war aber für Kraus der Plan in den Vordergrund gerückt, eine eigene, vom Literaturbetrieb unabhängige Zeitschrift nach dem Vorbild von Maximilian Hardens "Die Zukunft" zu gründen. |
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"Nicht das Militärische, nicht das Politische, nicht das Kommerzielle hatte im Leben des einzelnen wie in dem der Gesamtheit das Übergewicht; der erste Blick eines Wiener Durchschnittsbürgers in die Zeitung galt allmorgentlich nicht den Diskussionen im Parlament oder den Weltgeschehnissen, sondern dem Repertoire des Theaters, das eine für andere Städte kaum begreifliche Wichtigkeit im öffentlichen Leben einnahm."
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1877 – Karl Kraus war gerade drei Jahre alt - siedelte der Kaufmann Jakob Kraus mit der kinderreichen Familie von Jičin (Gitschin) nach Wien um. Karl ist das neunte und jüngste Kind der Eheleute Jakob und Ernstine Kraus. Die erste Wohnung der Familie nach der Umsiedlung aus Böhmen ist in der Wollzeile 19 im I. Wiener Bezirk. |
Blick in die Wollzeile (um 1900) |
Seilerstätte 13, Wien, I. |
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Hier befand sich die zweite Wohnung der Familie Kraus nach der Übersiedlung aus Gitschin. |
Maximilianstraße [heute Mahlerstraße] 13, Wien, I. |
Die dritte Wohnung der Familie Kraus in Wien befand sich ab 1880 in der Maximilian-, heute Mahlerstraße 13. Bis zum "Anschluß" Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland 1938 war hier auch der Sitz der väterlichen Firma; und noch bis 1967 war an dem Haus das Firmenschild zu sehen, das die Zeitläufte überstanden hatte (Schick, 13). |
Mahlerstraße 13 (1999) |
Hegelgasse 3, Wien, I. |
In der Hegelgasse 3, dem rückwärtigen Teil des Ringstraßenpalais Leitenberger (Parkring), befand sich das k.u.k. Franz-Josephs-Gymnasium, das Karl Kraus von 1884-1892 besuchte. |
Hegelgasse 3 (1999) |
Café Griensteidl, Herrengasse 1/Schauflergasse 2, Wien, I. |
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© Christian Schmidt 2001-2003